August 21, 2025

Vendor Lock-in - Warum Abhängigkeit das größte Risiko ist

Wie Unternehmen in die Kostenfalle geraten – und warum KI das Problem verschärft.

Stellen Sie sich vor, Ihr wichtigster Anbieter erhöht über Nacht die Preise. Ihre Prozesse laufen nur noch, wenn Sie sofort mehr bezahlen. Genau das ist Vendor Lock-in

Was ist Vendor Lock-in?

Kurzdefinition:

Eine einseitige Abhängigkeitsbeziehung mit einem Anbieter durch hohe Wechselkosten oder geschlossene Standards
 

Zum Beispiel: Ein Steuerberater nutzt eine Cloud-Software für die Belegprüfung. Der Anbieter erhöht  plötzlich die Preise um 50%. Ein Wechsel ist kaum möglich:

  1. Die Daten lassen sich nur schwer oder in unüblichen Formaten exportieren
  2. Der Import in die neue Lösung erfordert manuelle Nacharbeit.
  3. Mitarbeiter müssen neu geschult werden - das kostet Zeit und erhöht die Fehlerquote.

Am Ende bleibt kaum eine Wahl: Die höheren Kosten werden getragen, was Margen reduziert oder zu Mehrbelastungen für Kunden führt.

 

Dass dieses Risiko real ist, zeigen bekannte Fälle aus der Vergangenheit. So führte etwa Oracles Umstellung von nutzungs- auf nutzerbasierte Lizenzmodelle bei manchen Unternehmen zu Preiserhöhungen von über 400%.

Warum KI besonders riskant ist

Vendor Lock-in gibt es nicht erst seit Künstlicher Intelligenz - Office-Pakete, ERP-Systeme oder Cloud-Dienste haben Unternehmen schon seit Jahrzehnten in Abhängigkeiten gebracht. Doch im Bereich Künstlicher Intelligenz ist das Risiko besonders groß: Preismodelle ändern sich schneller, Daten liegen fast immer beim Anbieter und durch die rasante Entwicklung existieren kaum stabile Standards. Wer heute alles auf eine Karte setzt, sitzt morgen in der Kostenfalle.

1. Preismodelle

Viele KI-Anbieter arbeiten nach dem Köderprinzip: Zuerst gibt es ein großzügiges Testkontingent und Einstiegslizenzen. Sobald die Prozesse aber auf der Plattform laufen, steigen die Kosten rapide an. Preismodelle wechseln von "gratis" zu "pro User" oder "pro Durchlauf" - und plötzlich explodieren die Rechnungen. Gängige Praxis ist es auch, bisher inkludierte Features in ein neues Premiummodell zu verschieben oder die Berechnung inkludierter Kontingente zu verändern.

Der entscheidende Unterschied: Kostensteigerungen durch wachsende Nutzung sind absehbar und steuerbar – Lock-in entsteht, wenn Anbieter die Spielregeln einseitig ändern und Unternehmen kaum Alternativen haben.

2. Datenabhängigkeit und Datenschutz

KI-Anwendungen leben von Daten: Verträge, Kundendaten, interne Kommunikation

Werden diese Daten ausschließlich beim Anbieter gespeichert, ist eine Migration zur Konkurrenz oft schwer. Proprietäre Formate und eingeschränkte Exportmöglichkeiten verstärken den Effekt.

Besonders kritisch wird es, wenn ein Anbieter nicht DSGVO-konform arbeitet: In diesem Fall wäre ein schneller Wechsel zwingend nötig - doch Lock-in macht genau das schwierig.

3. Technologischer Anpassdruck

KI entwickelt sich rasant. Neue Modelle erscheinen alle paar Monate, Schnittstellen ändern sich, Features verschwinden oder landen hinter Paywalls. Plattform-Nutzer sind hier besonders abhängig: Sie können nicht selbst bestimmen, welche Funktionen bleiben oder gehen.

4. Politische Risiken

Schließlich kommt ein Faktor hinzu, den viele unterschätzen: Geopolitik.

Die größten KI-Anbieter sitzen in den USA oder China. Handelskonflikte, Sanktionen oder neue Regulierungen können dazu führen, dass bestimmte Modelle über Nacht nicht mehr nutzbar sind - und Unternehmen plötzlich ohne Grundlage dastehen.

Strategien gegen Abhängigkeit

KI-Plattformen

Hier hilft es bereits früh im Entscheidungsprozess wichtige Überlegungen miteinzubeziehen:

  1. Setzt der Anbieter auf proprietäre Software oder Open Source?
  2. Gibt es APIs, um externe Tools einzubinden oder Daten abzugreifen?
  3. Werden offene Standards und Protokolle unterstützt oder Eigenentwicklungen?
  4. Ist ein vollständiger und einfacher Datenexport möglich und in welchen Formaten?
  5. Bietet der Anbieter die Option, die Services auch auf eigenen Servern oder in der eigenen Cloud zu betreiben?

Je mehr dieser Punkte im Sinne von Transparenz und Flexibilität beantwortet werden, desto geringer ist die Gefahr eines Lock-ins.

Eigenentwicklungen

Hier bewährt es sich, konsequent auf Open-Source-Lösungen und offene Standards zu setzen. Dadurch können Komponenten modularisiert und bei Bedarf schnell getauscht werden.

Proprietäre Features sollten nur gezielt eingesetzt werden, um spätere Abhängigkeiten zu vermeiden.

 

Wo es die technische Expertise erlaubt, bietet Self-Hosting zusätzliche Wahlfreiheit und langfristige Kostenkontrolle.

Es verhindert zwar nicht jede Abhängigkeit, aber es schafft die Freiheit, selbst über Updates, Datenhaltung und Kosten zu bestimmen - statt dem Rythmus eines Anbieters ausgeliefert zu sein.

Meine Haltung

Ich habe selbst erlebt, wie ein Anbieter über Nacht seine API-Preise verdoppelt hat oder das zuvor inkludierte Freikontingent plötzlich nur noch eine Woche gültig war. Ebenso habe ich immer wieder gesehen, wie Kunden aktiv daran gehindert wurden, ihre Daten sinnvoll zu exportieren.

Seitdem baue ich Architekturen so, dass Kunden immer eine zweite Option haben - sei es durch Self-Hosting oder offene Standards

Fazit

Wenn Sie Ihre Systeme schon heute so aufstellen, dass sie unabhängig bleiben, gewinnen Sie morgen Sicherheit, Verhandlungsmacht und die Flexibilität, sich neue technologische Entwicklungen schnell zunutze zu machen. Genau dafür entwickle ich Architekturen, die unabhängig machen - auch von mir selbst. 

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